Foto Thomas Andenmatten

Falls Sie an der Stockalper-Stiftung und der Planung der Dreiflügelanlage interessiert sind, machen Sie einen Halt bei der Tischvitrine rechts und aktivieren Sie die Nummern 12-14, ansonsten wählen Sie die Nummern 15-24.

Die Erfolgsgeschichte des Kollegiums Spiritus Sanctus begann auf dem Weihnachtslandrat von 1650. Damals wurde die 1627 verhängte Ausweisung der Jesuiten aus dem Wallis rückgängig gemacht. Zugleich war sie das Ergebnis der Zielstrebigkeit des Kaspar Stockalper. Er wusste das Terrain vorzubereiten für eine erfolgreiche Berufung der Jesuiten ins Wallis, holte die Zustimmung des Briger Rates für eine Niederlassung in Brig ein und nahm dann die Realisierung des Kollegiums tatkräftg an die Hand. Die Finanzierung des Unternehmens wurde auf die Oberwalliser Zenden, mehrheitlich aber auf die geistlichen Einrichtungen, die Priester und private Spender verteilt. Stockalper verfügte über politische Macht und grossen Reichtum, den er dem Handel und einer gezielten Immobilienpolitik verdankte. Persönlich investierte er enorme Mittel, stellte den Baugrund zur Verfügung und versprach, den Unterhalt der Jesuiten mitzufinanzieren.

1686 wurde der gesamte Vermögenskomplex in eine Stiftung mit religiösem Charakter überführt. Zweck war die Führung eines Kollegiums. Das Stiftungsgut war unabtretbar, die Gebäude unverkäuflich. Stockalper betrachtete sich als Bauherrn und das Unternehmen als die fünfte seiner Briger Stiftungen. Im Falle einer Zweckentfremdung sollte die Stiftung an das ‚Haus der drei Könige‘ in Brig, die Schenkungen jedoch an seine Erben zurückfallen.

Der mit dem Bauprojekt zusammenhängende Geldfluss für die Entlöhnung der Handwerker, die Materialbeschaffung, die Einforderung der Finanzierungsbeiträge an die Adresse der Zenden, die Unterstützung durch Gönner und der Fortschritt der Bauarbeiten kann in Stockalpers Hauptbuchhaltung nachverfolgt werden.

Wenden wir uns den Reproduktionen der Planzeichnungen und der Ansichten zu.

Sie zeigen Ihnen links oben beginnend: den 1. Entwurf der Dreiflügelanlage, der am 9. Januar 1663 zur Genehmigung nach Rom gesandt wurde. Die beigelegte Bemerkung „bezüglich der Türme habe man Wünsche des Stifters berücksichtigt“, zeigt das grosse Engagement Stockalpers. Die Zeichnung erstellte Matthäus Koller aus Augsburg, der seit 1652 im Dienste Kaspar Stockalpers stand. Kirche, Kollegium und Gymnasium umstehen eine Gartenanlage, die im Westen eine Mauer mit seitlichem Durchgang schliesst. Das basilikale Gotteshaus erinnert an die Jesuitenkirche Saint Michel in Fribourg aus dem frühen 17. Jahrhundert.

Mehrere in Brig anwesende Jesuiten, unter ihnen Präfekt Christoph Vogler, befassten sich in den kommenden Jahren mit der Optimierung des Grundrisses und der Aufwertung der Westfassaden, zuerst durch je ein Turmpaar und den Entwurf einer Saalkirche mit Streben. Dann erschien die Kirche als moderne Wandpfeilerhalle mit leicht eingezogenem Chor. Die Doppelturmfassade der Kirche erhielt an der Stirnseite des Gymnasiums eine schlichtere Entsprechung und analog dazu eine zentrale Toranlage in der Gartenmauer. Damit gewann die Anlage an Monumentalität.

In der unteren Reihe sehen Sie verschiedene Ansichten des Briger Kollegiums, wie sie in mehreren Bildzyklen zu den Jesuitenkollegien der oberdeutschen Ordensprovinz veröffentlicht wurden. Sie zeigen den Baubestand ab zirka 1686. Diese Zyklen entstanden in grösseren zeitlichen Abständen.

Es scheint, als ob die politischen Umwälzungen der 1670er Jahre die Fertigstellung des Kollegiums gelähmt hätten. Das Unternehmen verlor seinen grössten Förderer. Kaspar Stockalper verlor 1678 nach einem Höhepunkt an politischer Machtfülle alle politischen Ämter, einen grossen Teil seines Vermögens und musste sich über den Simplon nach Domodossola retten.

Wir sind in der Sakristei angekommen, deren Gewölbe 1677 eingezogen worden ist. Das Mobiliar muss im Anschluss an die Katastrophen im ausgehenden 18. Jahrhundert angeschafft und in der Folge ergänzt und immer wieder instand gestellt worden sein. Zwischen 2015 und 2017 erhielt der Raum seine barocke Ausstrahlung zurück. Unter Berücksichtigung der Sakristei-Funktion ist gleichzeitig ein Ausstellungsraum entstanden. Er ermöglicht die sorgsame Aufbewahrung der Kunstschätze und macht sie so einem interessierten Publikum zugänglich.

Das Fehlen barocker Figuren ist eine Folge der vielen Wirren. Die beiden Afrikaner-Jungen mögen das Gebälk eines Altares geziert haben, oder sie könnten sich als persönliches Attribut zu Füssen des Jesuiten Peter Claver befunden haben. Claver war Missionar in Südamerika, ist Nationalheiliger von Argentinien und seit 1985 Patron der Menschenrechte. – Die beiden Muttergottesstatuen in ihren silbern und golden bestickten Gewändern wurden wohl bei Prozessionen mitgetragen, sie kamen möglicherweise bei Passionsspielen und sicher in der Karwoche und an Fronleichnam zum Einsatz. Die festlich gekleidete Marienkönigin steht noch heute an Fronleichnam auf einem Altar vor der Sebastianskapelle in Brig. Die Stickerei in Relief- und Anlegetechnik, mit Paillettenbesatz und silbernen bzw. goldenen Klöppelspitzen mag ins 19. Jahrhundert zurückgehen. Bis weit ins 20. Jahrhundert nahmen Lehrer und Studenten des Kollegiums an den christlichen Bräuchen rege teil.

Das Kunsthandwerk hat die wechselvolle Geschichte weit glücklicher überstanden. Die bedeutendsten Objekte reichen zurück in die Zeit der Kollegiumsgründung im 17. Jahrhundert. Die auf den Kultgeräten abgebildeten Jesuitenheiligen weisen auf den Jesuitenorden, die Wappen auf die Stifter. Stockalper berief Künstler und Kunsthandwerker nach Brig und war gleichzeitig ihr Auftraggeber. Aktenkundig sind nicht mehr erhaltene Vergabungen an die Kollegiumskirche wie z.B. ein Kelch oder ein Deckelpokal für die Umarbeitung in ein Reliquien-Schaugefäss, ein sog. Ostensorium.

In Vitrine 1 ist eine bescheidene Hostienbüchse aus einem Briger Goldschmiedeatelier zu sehen. Der Silberarbeiter hiess Anton Tuffitscher. Er war zwischen 1662 und 1689(+) für Stockalper tätig

Der Kelch in Vitrine 2 passt zeitlich zu den ausgestellten Paramenten. Er ist das Werk des Tiroler Silberschmiedes Johann Georg Azwang der zwischen 1703 und 1743 als Meister in Augsburg nachgewiesen ist. Augsburg war seit dem 16. Jahrhundert das führende Zentrum der Goldschmiedekunst mit entsprechender künstlerischer und stilbildender Ausstrahlung. Unser Kelch weist für die Zeit um 1710 typische Bandwerkkartuschen und Gitterwerk auf. Im Wechsel mit Blütenbouquets verzieren Reliefs der „Mutter Anna, die ihre Tochter unterrichtet“ und des „Joachim mit Klein-Maria“ sowie ein Emailmedaillon mit unbekanntem Allianzwappen den Kelchfuss. Am kompakten Kuppakorb stehen die Monogramme der Heiligen Familie.

Dieser Kelch wirft einen Blick auf die damalige Handelsgepflogenheit. Im 17. Jahrhundert vermittelten sehr oft Kaufleute ihren Kunden auf sie zugeschnittene Luxusgüter aus der Goldschmiedemetropole Augsburg. So ist dies für den Silberaltar in Stockalpers Schlosskapelle nachgewiesen. Später scheinen Handelsreisende direkt Objekte des Kirchenbedarfs vertrieben zu haben, was auf Serienproduktionen hindeutet. Die völlig übereinstimmenden Dekors an Kelchen in Eyholz und Kühmatt im Lötschental sind dafür Beispiele.

Aus Augsburg stammt das Ziborium aus der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts in Vitrine 3. Das Gefäss dient der Aufbewahrung geweihter Hostien, deswegen lässt sich die weite Kuppa mit einem Deckel verschliessen. Für die Materialqualität bürgte die sog. Beschaumarke – für Augsburg war es ein Pinienzapfen. Für die sorgfältig und mit grossem Kunstsinn ausgeführten Treibarbeiten, in die Emailmedaillons eingelassen und auf die locker verstreut bunte Steine aufgesetzt sind, zeichnete der Goldschmied mit seiner Meistermarke. Leider machte die Neuvergoldung von 1925 diese Goldschmiede-Marke unkenntlich. Bei unserem Objekt sind Fuss- und Deckelform einander angeglichen. Die Dekoration variiert. Sind es auf dem Deckel zwischen ganzfigurigen Putti mit Leidenswerkzeugen blinde Medaillons, so zeigen der Fuss und der à-jour-gearbeitete Kuppakorb Emailmedaillons in Granatkränzen. Es sind in Rosa gehaltene Passionsszenen zu sehen. Dazwischen, locker angeordnet, bunte Steine.

Der Kelch in Vitrine 4 des Meisters „IS“ ist von unbekannter, deutscher Herkunft. Er zeigt die Stilentwicklung in der Goldschmiedekunst um 1700. Sie reduzierte die silberne Treibarbeit mehr und mehr auf die Gefässform, während sich der Schmuck, hier eine vegetabile, silberne Filigranarbeit, wie ein Netz über den Kelch hinzieht. Geblieben sind die mit Granatkränzen gerahmten Passionsszenen in Emailmalerei und die farbigen Steine. Der Reichtum und die Fülle der Zier führten nicht selten zum Eindruck des Überladenen.

Die Monstranz ist eine grossartige Goldschmiedearbeit im Geist des ausgehenden 17. Jahrhunderts. Ihr Schöpfer war Goldschmied Ludwig Schneider, der sich in Augsburg 1684 um das Meisterrecht bewarb und 1729 starb. Monstranzen gehören zu den prunkvollsten katholischen Kirchengeräten. Die Verherrlichung der Hostie und ihre Zurschaustellung erlebten im 17. Jahrhundert ohne Zweifel einen Höhepunkt, was an die Phantasie und Kunstfertigkeit des Goldschmiedes hohe Ansprüche stellte.

Vor dem geflammten Strahlenkranz der Gloriole mit dem herzförmigen Schaugehäuse entwickelt sich eine feine Treibarbeit. Farbige Steine, plastischer Schmuck und bunte Emailmedaillons in silbern gefassten Granatkränzen bilden den besonderen Schmuck. Auf dem Fuss sind zwischen reicher Treibarbeit auf den Medaillons ‚Maria mit Kind‘, die ‚Verklärung Jesu auf dem Berg Tabor‘, die ‚Taufe Jesu am Jordan‘ sowie das ‚Pfingstwunder‘ dargestellt, an der Gloriole die 12 Apostelbildnisse. In der Mittelachse folgen von unten nach oben in ziervergoldetem, getriebenem Silber die Muttergottes, die Geisttaube und Gottvater.

Die Vielfalt und der Umfang des Paramentenschatzes sind trotz der bewegten Geschichte erstaunlich. Noch heute dokumentieren aussergewöhnliche Seidendamaste, Brokate, Stickereien in bunter Nadelmalerei und in Metall die über 300 jährige Kollegiumsgeschichte. Die grossen Verluste in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts und die Liturgiereform des 2. Vatikanischen Konzils machten eine Erneuerung und Ergänzung des Bestandes nötig.

Die blaue Dalmatik und die Kasel in Vitrine 6 sind Teile eines beinahe verlorenen Ornates. Das vollständige Ensemble besteht aus Rauchmantel, 2 Dalmatiken, einer Kasel und dazugehörigen Accessoires. Die Dalmatik ist das liturgische Gewand des Diakons, die Kasel dasjenige des Priesters. Im 18. Jahrhundert befand sich die europäische Seidenproduktion auf einem Höhepunkt. Das bewog sogar die Kirche, den seit dem Mittelalter festgelegten Farbkanon zu lockern und Farben wie Blau zuzulassen oder sie zum besonderen Privileg zu erklären. Aussergewöhnlich bei den ausgestellten Objekten ist die Ergänzung des bunt gewebten Musters durch gestickte Motive. Es scheint, dass hier ein prunkvolles profanes Gewand eine Umarbeitung in ein liturgisches erfuhr. Die Seitenteile der Dalmatik bestehen aus einem Seidensatin mit Webmuster am Saum und Stickerei auf dem Satin; der Mittelstab hat einen Seidenrepsgrund und ist durchgehend bestickt, ebenso die Kasel. Die Régencegitter wie auch Stickerei, deren Motive teils der Phantasie und teils der Natur nachempfunden sind, lassen sich in das 1.Drittel des 18. Jahrhunderts datieren. Der geniale Musterentwurf wiederspiegelt die barocke Lebensfreude, die in umfassenden Inszenierungen kirchlicher Zeremonien gipfelte.

Ein Beispiel feinster französischer Webkunst ist die lilafarbene Kasel in Vitrine 7, bei der die Seide leicht und der Liebreiz der Musterzeichnung stiltypisch sind. Gewebte, parallel aufsteigende Spitzenbänder werden von Blattrispen, Blüten und Schlaufen umspielt, zarte Rosensträusschen füllen die Zwischenräume. Diese Art Seidenmuster entstand zwischen 1760 und 1765. Es eignete sich durchaus auch für die Damenmode der Zeit.

Im Gegensatz zum intimen Charakter des Seidenmusters in Vitrine 7 wirkt das Brokat-Muster der grünen Kasel in Vitrine 8 laut. Man denkt an rauschende Feste. Die Vielfalt der Motive wie die stark verfremdeten, von Zweigen umspielten Band- oder Spitzenmotive erheischen Aufmerksamkeit. Die wolkenartigen Klammern oder die Blütenschirmchen wirken neben den durchaus naturalistisch empfundenen Erdbeeren fremd, ja bizarr. Das gab einem kurzen Zeitabschnitt des frühen 18. Jahrhunderts und seinem Musterstil den Namen. In unserem spätbizarren Musterentwurf künden die kleinen, dem Naturalismus verpflichteten Früchte bereits die neue Stilentwicklung des 2. Jahrhundertviertels an.